Die Yamas & Niyamas – ethische Richtlinien für unser Leben Teil 2

Die Yamas und Niyamas / Teil 2

Wir wandern weiter auf dem achtstufigen Pfad von Ahimsa und Satya nun zu Asteya zu  Brahmacharya und Aparigraha.

Wenn man sich mit jedem einzelnen dieser Yamas wirklich beschäftigen will, ist es gut sie sich einzeln anzuschauen und mitzunehmen durch den Alltag, auf Reisen und Treffen und mit dem Yama das eigene Leben zu durchleuchten. Es kommt zu interessanten Erkenntnissen.

Kommen wir zu Asteya– es bedeutet Nicht-Stehlen oder frei von Verlangen.

„Alle Kostbarkeiten werden dem zuteil, der in Asteya (im Nicht-Stehlen) verwurzelt ist“ (Kap. 2.37 /R. Sriram „Patanjali Das Yogasutra“)

Nicht zu stehlen macht wohl für die meisten durchaus Sinn und leuchtet ein. Das man nicht durch Gärten, Häuser und Geschäfte auf Raubzug geht ist für die meisten selbstverständlich.

Aber das Habenwollen von Dingen und manchmal auch Aneignen kann auch auf anderen subtileren Ebenen geschehen.

Man kann gedankliches Eigentum von Menschen stehlen, das Internet macht es uns leicht. Lieder, Texte, Filme, Fotos – alles im Netz zu haben – die Entscheidung liegt bei legal und für Geld oder illegal und für umsonst. Und das ist nicht immer eine Frage des Geldes, sondern auch des Respekts für die Arbeit der anderen.

Man kann auch „nur“ im Geiste das Eigentum von anderen haben wollen. Hier bedarf es einer genauen Beobachtung der Geistesaktivität und da kann man schon ansetzen Gier und Verlangen zu erkennen und möglichst zu vermeiden.

Ein schönes Ziel wäre zu erkennen, dass wir aus uns heraus genügen, uns nicht auf Kosten anderer bereichern müssen, aber Fülle und Reichtum durchaus mit anderen teilen können. Ganz privat, aber auch auf gesellschaftlicher und globaler Ebene ein großes Thema!

Brahmacharya –  bedeutet der Weg zu Brahman – zum höchsten Selbst.

„Derjenige, der im Bewusstsein des Brahma (der Allseele) handelt, gewinnt große Energie.“

(Kap. 2.38 /R. Sriram „Patanjali Das Yogasutra“)

Ein etwas umstrittenes und vielleicht auch mehrdeutig auslegbares Yama. In meiner Ausbildung habe ich noch gelernt, dass es Enthaltsamkeit vor allem auf sexueller Ebene bedeutet und vielleicht meinte Patanjali auch genau das.

Ein aktives sexuelles Leben bedeutet ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit für den Akt selbst, bei wechselnden Partnern kommt der Energieaufwand zur Beschaffung noch dazu.

Die sexuelle Energie ist eine große Kraft; die, wenn sie unkontrolliert fließt auch Schaden anrichten kann. Kontrolle heißt hier nicht gleich Unterdrückung!

Es geht im Yoga darum, Kraft und Energie für die Selbstverwirklichung zu verwenden und die Energie bei sich zu behalten statt sie zu verschleudern – sprich Meditation, Asana, Pranayama.

Jedoch leben wir in einer modernen westlichen Welt und so kann man Brahmacharya statt als Enthaltsamkeit eher als klugen Umgang mit unseren Energien und Emotionen definieren. Gute, wertvolle und nährende Partnerschaften können sehr viel Kraft und Halt geben.

Im Alltag kann also immer wieder gefragt werden, welche Tätigkeiten rauben Energie, welche geben Kraft und somit ist der Weg zu erfüllenden Beschäftigungen geebnet.

Aparigraha – Nicht – Horten, Nicht – Anhäufen

„Wer stabil in der Umsetzung von Aparigraha (Anspruchslosigkeit) ist, erfährt alles über seine Vergangenheit und seine vergangenen Leben.“

(Kap. 2.39 /R. Sriram „Patanjali Das Yogasutra“)

Ein sehr wichtiger Punkt für unser heutiges Wohlstandsleben. Sich auf die nötigsten Anschaffungen zu beschränken und keine materiellen Güter anzuhäufen – das ist in einem so reichen Land wie Deutschland, in dem Konsum eine Art Freizeitbeschäftigung ist, kein leichtes Unterfangen.

Auch hier wäre ein stetiges Befragen (Brauche ich das jetzt wirklich? / Wann ist es genug?) günstig um gegebenenfalls Entscheidungen abzuwenden. Es muss auch nicht die völlige Askese als Gegenkonzept herhalten, außer man möchte es.

Den meisten Menschen geht es hier sehr gut und das können wir auch schuldfrei genießen, aber viel Besitz schafft auch Unruhe und erfordert Aufmerksamkeit auf den Erhalt oder oft auf Vermehrung des Besitzes. Diese Aufmerksamkeit kann besser für die persönliche Weiterentwicklung genutzt werden.

Wer nicht unbedingt das Höchste Ziel eines Yogi erreichen möchte und selbstverwirklicht sterben möchte, der kann die Yamas aber auch einfach nutzen um den Alltag mit der Familie, den Freunden, der Arbeit, der Umwelt zu verbessern. Die Yamas und Niyamas können auch als eine Art Psychohygiene gesehen werden, die den Fokus auf uns und die Gestaltung unseres Lebens legen. Es wird nichts erwartet, aber alles ist möglich! Das tempo wird von jedem selbst bestimmt und es gibt kein Richtig und Falsch, nur das Hineinspüren in sich selbst und die Reflektion der eigenen Taten. Simple As That!